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AutorenbildStansje Steiger

Schulzimmeranalyse


Wie kann man ein Schulzimmer "lesen"? Dieser Frage widme ich mich folgenden Beitrag:

Kriterien Schulzimmeranalyse

Vorab kläre ich die verwendeten Fragen / Hilfsmittel zur Analyse, sowie die Kriterien für die Bildauswahl des zu analysierenden Zimmers:

Kriterien für Zimmer-/Bildauswahl:

  • Klassenzimmer aus dem deutschsprachigen Raum (CH, AT oder D)

  • Unter- /Grundstufen Klassenzimmer

  • Ausreichende Grösse des Bildes (Qualität, Pixel)

  • Grösserer Ausschnitt des Raumes soll gezeigt werden (Raum sollte mehr oder weniger fassbar sein)

Kriterien für Analyseart:

Bei der Analyse bediene ich mich der Aspekte einer Werkanalyse in der Architektur nach Michael Klant und Josef Walch:

  • Allgemeine Daten

  • 1. Erster Eindruck

  • 2. Materialien / Konstruktion / Statik

  • 3. Baukörper / Bauelemente / Dimension

  • 4. Blickführung / Bewegung / Rhythmus

  • 5. Fassade

  • 6. Innenraum / Raumerlebnis / Licht

  • 7. Aussenraum

Für die Zimmeranalyse werde ich allerdings nicht alle Aspekte behandeln, sondern jene wählen oder zusammenfügen, die im Kontext der Analyse des Schulzimmers Sinn machen.

Katholische Grundschule im Haus St. Marien

Bei den für die Schulzimmer-Analyse ausgewählten Bildern, handelt es sich um Räume der privaten katholischen Grundschule im Haus St. Marien in Neumarkt in der Oberpfalz (Deutschland). Auf der Website der Schule wird als pädagogische Grundlage der „Marchtaler Plan“ erwähnt:

"Der Marchtaler Plan hat Gedanken der Reformpädagogik u.a. nach Maria Montessori und Peter Petersen aufgenommen und in eigener Weise umgesetzt. Er macht Ernst mit der Forderung nach der Würde des Kindes, ganzheitlicher Erziehung und Befähigung zu Freiheit und Selbstverantwortung. Der Marchtaler Plan verfolgt ein ganzheitliches Konzept. So wird der christliche Glaube nicht nur im Religionsunterricht vermittelt, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch alle Fächer."

Als Unterrichtselemente werden Morgenkreis, Freie Stillarbeit, Fachunterricht und Vernetzter Unterricht genannt.

Detaillierte Hintergrundinformationen zum Gebäude

Die Grundschule ist im Haus St. Marien eingebunden, welches in Neumarkt in der Oberpfalz liegt. Dabei handelt es sich um das Bundesland Bayern. Bekanntere Städte in der Nähe sind Nürnberg, Ingolstadt und Regensburg. Neumarkt bezeichnet sich selber heute als Wirtschafts- und Industriestandort.

Grundschule Hause St. Marien

Die Stadtgeschichte beginnt um 1135, 1945 wird durch einen amerikanischen Luftangriff der mittelalterliche Stadtkern zerstört. Das Haus St. Marien liegt ausserhalb des Stadtkerns in unmittelbarer nähe des Kloster St. Josefs (Lage auf Google Maps), getrennt werden die zwei Gebäude lediglich durch eine Grünanlage mit diversen Bäumen.

Das Haus St. Marien wird nicht nur als Grundschule genutzt. In den Räumlichkeiten des grosszügigen Hauses sind diverse Einrichtungen untergebracht:

  • Berufliche Schulen

  • Internat

  • Kindertagesstätten

  • Grundschule

Über die Geschichte des Hauses ist zu berichten, dass seit 1926 ein Seminar für Handarbeitslehrerinnen der Schwestern vom Göttlichen Erlöser – Niederbonner Schwestern (der Orden, der auch heute das Haus trägt) bestand. Das Seminar war bis ca. 1950 im Kloster St. Josef untergebracht. 1939 wurde allerdings eine Schliessung erzwungen. 1949 kehrte dann wieder Schulalltag in das Kloster zurück – eine Frauenfachschule wurde ins Leben gerufen. Beim Haus St. Marien – dort, wo nun auch die Grundschule untergebracht ist, und die Klassenzimmer-Aufnahmen gemacht wurden– handelt es sich um einen Neubau aus dem Jahre 1950/51 (den Namen des Architekten konnte ich noch nicht ausfindig machen).

Erster Eindruck des Klassenzimmers

(Bei den zwei Aufnahmen handelt es sich nicht um dasselbe Zimmer!)

Auf den ersten Blick wirken beide Zimmer ausserordentlich organisiert. Alles scheint einen klaren Platz zu haben. Diverse Stauräume stehen zur Verfügung. Bei beiden Zimmern stehen die Farben grün, gelb, rot und blau im Zentrum (Stühle, Tischbeine u.a.). Anordnung der Tische ist nicht einheitlich: Es stehen bei beiden Zimmern im hinteren Teil des Raumes Tischgruppen. Der vordere Teil des Raumes ist geprägt durch Sitzreihen mit einem Mittelgang. Durch diese Raumgestaltung ist eine gewisse “Strenge” spürbar.

Aussagen über Material und die Konstruktion des Klassenzimmers

Zu den Baumaterialien (Wände, Boden u.a.) kann keine Aussage gemacht werden. Zur Konstruktion des Raumes lässt sich sagen, dass es sich um einen sehr klassisch anmutenden Raum ohne sichtbare Besonderheiten handelt . Die Aufnahme der beiden Zimmer lässt vermuten, dass die Raumhöhe bei mindestens 2.4 Metern liegt.

Erkennbar ist auf beiden Bildern, dass ähnliche Materialien für die Raumgestaltung eingesetzt werden: Vereinzelt Naturmaterialen wie Holz (evtl. Massiv beim Einbauschrank, Tische und Regal könnten aus gepresstem Holz mit Furnier sein) oder Kork (Pinnwand). Bei den Stühlen wird auf Kunststoff gesetzt und beim Bodenbelag handelt es sich um einen Teppich, vermutlich auch Kunststoff.

Die Raumgestaltung lässt auf Grund der Materialien und der Konstruktion Leichtigkeit (im Sinne von Lockerheit) vermissen. Betonung liegt auf einer pragmatischen/effizienten Funktionalität.

Aussagen zum Zimmer als Körper, zu den Zimmerelementen und Dimensionen – Innenraum, Raumerlebnis und Licht

Betrachtet man das Zimmer wie eine Skulptur, überwiegen geometrische Formen. Angaben dazu, in welchem Verhältnis des Raum zum Umraum steht, können nicht gemacht werden. Wir wissen nicht, was für Zimmerarten an dieses grenzen. Zum Verhältnis zum Menschen lässt sich sagen, dass es sich um einen Lernort handelt, der – so gehen wir davon aus – von mindestens einer erwachsenen Person und mehreren Kindern im Alter von ca.7-9 Jahren genutzt und somit den einen oder anderen Bedürfnissen gerecht werden “muss”. Es ist somit ein intensiv belebter Raum, der aus Sicht der verschiedenen Altersgruppen (LP und SuS) unterschiedlich wirken kann: Je nach Kind könnten diese Klassenzimmer durchaus einschüchternd und gewöhnungsbedürftig wirken. Auf mich wirken die Dimensionen verhältnismässig und nicht beengend, die einzelnen Elemente sehr nüchtern, standardisiert (wird durch den Vergleich der beiden Zimmer ersichtlich). Die Frage nach dem Gefühl des Grössenverhältnis von Person zu Raum kann nicht eindeutig beantwortet werden – auf SuS können die Raumhöhe und -proportionen riesig wirken.

Beide Bilder wurde mit einer natürlichen Lichtquelle (Tageslicht von einer auf den Bildern nicht sichtbaren Fensterfront) aufgenommen. Die Zimmer wirken auch ohne Lampe hell, bis auf Bild 1. Den hinteren Teil dieses Raumes vermag das Tageslicht nicht zu erhellen.

Wahrnehmung des Zimmers

Auf Basis des Bildes lassen sich hier nicht die gleichen Aussagen machen, wie bei einer tatsächlichen Begehung. Daher beziehe ich mich auf meine räumliche Vorstellungskraft, wie ich auf Basis der Bilder davon ausgehe die Räume bei einem Besuch wahrzunehmen.

Aus dem Blickwinkel der Lehrperson (auf dem zweiten Bild ist das Lehrerpult auf der linken Seite direkt vor der Wandtafel zu erkennen) spielt die Architektur in sofern eine Rolle, als dass keine statischen Elemente den Blick auf die Schüler versperren. Allerdings ist durch die Anordnung der Sitzbänke nicht für jedes Kind gewährleistet, dass die Lehrperson das Kind mühelos am Platz aufsuchen kann (siehe dazu das zweite Bild unten, zweite Reihe von hinten – drei Tische nebeneinander, zwei dahinter und nochmals drei davor– beim mittleren der drei Sitzplätze kann ich als Lehrperson den Kontakt nur über die Köpfe der Anderen hinweg suchen, oder das Kind daneben bitten, den Platz für einen Moment an mich freizugeben). Der Raum ermöglicht ausserdem zu jedem Zeitpunkt den Blick auf die Türe.

Inwiefern die Fensterfront Auswirkungen auf die Wahrnehmung hat oder hätte (für Lehrperson oder SuS), kann ich auf Basis des Bildmaterials nicht kommentieren.

Wandgestaltung

Bei der Gestaltung der Wände fällt abermals die Gliederung auf. Auf beiden Bildern ist für die Elemente an der Wand eine thematisch / sachliche Gliederung von Bedeutung (z.B. Alphabet-Zug, geometrische Formen) – gleiches bei Gleichem. Es fällt auf, dass an den Wänden kaum von Schülern gestaltete Gegenstände montiert sind, sondern überwiegend Lernmaterial von der Lehrperson oder der Schule.

Um dieses Material zu montieren stehen einerseits eine Pinnwand, sowie eine nicht bewegliche Tafel (zusätzlich zur beweglichen Tafel an der “vorderen” Wand) zur Verfügung. Bei beiden Zimmern ist eine Magnetschiene im oberen Bereich der rechten Seitenwand (nahe der Decke) platziert.

Die Grundfarbe der Wände ist weiss. In beiden Zimmern sind Teile der Wände mint-grün bemalt. Beim unteren Bild ist oberhalb der Türe ein Kruzifix platziert. Da es sich um eine private katholische Grundschule handelt, darf stark davon ausgegangen werden, dass jedes Schulzimmer ein solches Kruzifix an der Wand hängen hat.

Gedankliche Auseinandersetzung – Fazit

Bei der Bearbeitung der Bilder dieser Klassenzimmer habe ich mich unter anderem gefragt, was für eine Unterrichtsform in so einem Zimmer wohl durchgeführt wird. Vielleicht Lektionen mit Tendenz zum Frontalunterricht? Könnte es sich dann dabei um ein Zimmer handeln in dem Fachunterricht stattfindet? Kann daraus geschlossen werden, dass diese Schule keine klassischen Klassenzimmer hat, sondern sich die SuS je nach Unterrichtselement (Morgenkreis, Freie Stillarbeit, Fachunterricht und Vernetzter Unterricht) sich in verschiedene Räumlichkeiten begeben?

Eine Erkenntnis die ich bereits in einem anderen Zusammenhang erlangt habe ist, dass man bei der Betrachtung eines Lernortes beinahe unweigerlich Rückschlüsse auf die Unterrichtsart zu ziehen beginnt, die in diesem Zimmer praktiziert wird. Ich komme auch nicht darum hin, mir ein Bild von der Lehrperson zu machen, die in diesem Klassenzimmer agiert. Raumgestaltung hat somit auch viel mit der Persönlichkeit der Lehrperson oder der Schule zu tun. Und das finde ich nicht verwerflich. Schliesslich handelt es sich nicht nur um den Lernort der Schüler, sondern auch um den Arbeitsort der Lehrperson. Dennoch denke ich, dass es bei der Raumgestaltung Sinn macht, entsprechende Konzepte zu konsultieren. Die Frage ist nun natürlich, was für schulische Raumkonzepte existieren überhaupt? Mit welchem Raumkonzept wird in dem vorgestellten Beispiel gearbeitet (Unterrichtskonzept basiert auf Maria Montessori und Peter Peterson)? Hat jedes Pädagogische Konzept auch ein Raumgestaltungskonzept in petto?

Im Kontext dieser Analyse und auf Basis meines aktuellen Wissenstand, kann ich sagen, dass ich die räumliche Gestaltung wie oben gesehen als unglücklich betrachte, obschon ich Befürworter von klarer Organisation bin. Ich bezweifle nicht, dass einige Kinder hier ihren ultimativen Lernort gefunden haben. Doch meines Erachtens geht in diesen Zimmern die vielfältigen Bedürfnisse dieser jungen Individuen unter. Angesichts unseres technologischen Stands vermisse ich ausserdem den Zugang zu digitalen Medien.

In diesen beiden analysierten Klassenzimmern stehen für mich die Erwartungen von Erwachsenen/Lehrpersonen im Vordergrund und wie die Lehrperson definierte Lernziele am effizientesten erreichen kann. Möglichkeiten zur spielerischen Auseinandersetzung oder Recherche (z.B. Buchecken) sind in diesem Raum nicht zu finden.

"Das Lernen der Kinder zwischen vier und acht wird durch Spiel- und Lernarrengement und Räume angeregt, in denen die Kinder alle Sinne brauchen können und kognitiv herausgefordert werden." (Achermann 2009: 22)

Interessant wäre hier nun die Reaktion eines Kindes auf die Bilder der analysierten Zimmer versus einer berufserfahrenen Lehrperson. Wie würde ein 4-8 Jähriges Kind diese Räumlichkeiten beurteilen. Was für Erwartungen haben Schüler und Schülerinnen an Lernorte? Was haben Lehrpersonen für Erwartungen an ihren Arbeitsort?

Lernräume gestalten erscheint mir ein schwierigeres Unterfangen, als zu Beginn angenommen, da so viele Bedürfnisse und Wünsche (die des Kindes an einen idealen Lernort, die der Lehrperson an einen idealen Arbeitsort, vielleicht die der Schule oder der Stadt an einer gewissen Repräsentativität u.a.) und vermutlich auch unterschiedliche Konzepte die Auseinandersetzung mit diesem Thema erschweren.

Quellen

  • Achermann, E. (2009): Der Vielfalt Raum und Struktur geben – Unterricht mit Kindern von 4 bis 8. Bern: Schulverlag plus AG.

  • Neumarkt in der Geschichte:http://www.neumarkt.de/de/tourismus/neumarkt-in-der-geschichte.html; 19.09.2014.

  • Geschichte Haus St. Marien: http://www.stmarien.com/index.php?id=69; 19.09.2014.

  • Kriterien zur Werkanalyse der Architektur: http://www.kunstimunterricht.de/werkanalyse/kriterien/122-kriterien-zur-werkanalyse-der-architektur.html; 19.09.2014.


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